Emulsionen ohne Emulgatoren – synergistische Pflanzenfasern in kosmetischen Texturen
Dr. Sabilla Digel
Einleitung
Emulsionen sind im täglichen Leben allgegenwärtig und stellen eine Basistechnologie für Produkte in der Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie dar. Ob in Cremes, Lotionen, Soßen oder pharmazeutischen Systemen, die Stabilisierung von Emulsionen wird traditionell durch oberflächenaktive Moleküle oder Polymere gewährleistet, um die Koaleszenz der Tröpfchen zu verhindern. Die wachsende Nachfrage der Verbraucher nach nachhaltigen, natürlichen und hautfreundlichen Alternativen hat jedoch zur Entwicklung innovativer Emulsionsstabilisatoren geführt. Ein solcher Ansatz ist die Verwendung von Pickering-Emulsionen - Emulsionen, die durch feste Partikel stabilisiert werden, die sich irreversibel an der Öl-Wasser-Grenzfläche anlagern.
Pickering-Emulsionen wurden erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts von W. Ramsden[1] und S.U. Pickering[2] (1903 bzw. 1907) beschrieben und finden bis heute zahlreiche praktische Anwendungen. Während sich bei herkömmlichen Emulsionen oberflächenaktive molekulare Emulgatoren entsprechend ihren lipophilen und hydrophilen Anteilen an der Wasser-Öl-Grenzfläche orientieren, werden Pickering-Emulsionen durch feste Partikel stabilisiert, die irreversibel an der Öl-Wasser-Grenzfläche adsorbieren und so eine physikalische Barriere gegen die Koaleszenz von Tröpfchen bilden. Diese Emulsionen sind bekannt für ihre außergewöhnliche Stabilität[3], ihre gute Hautverträglichkeit und ihre Fähigkeit, der Haut anspruchsvolle und attraktive sensorische Eigenschaften zu verleihen. Ein vielversprechender Ansatz für Pickering-Emulgatoren nutzt das Potenzial von Fasern und Hydrokolloiden, die in der Lebensmittelindustrie weit verbreitet sind, da ihre einzigartigen Eigenschaften genutzt werden können, um Herausforderungen in kosmetischen Anwendungen zu lösen und innovative Texturen zu schaffen, während gleichzeitig die Umweltverträglichkeit verbessert wird.
Dieser Artikel beschreibt unsere Forschung zur Entwicklung von Materialien auf Pflanzenfaserbasis für die Stabilisierung von Pickering-Emulsionen in kosmetischen Anwendungen durch die Kombination der synergistischen Eigenschaften von Fasern und Hydrokolloiden. In den folgenden Abschnitten beschreiben wir das Design, die Charakterisierung und die Anwendung dieser aus Pflanzenfasern gewonnenen Materialien und zeigen ihre Wirksamkeit bei der Stabilisierung von Emulsionen, während sie gleichzeitig die steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Leistung in der modernen Kosmetikindustrie erfüllen.
Synergistische Pflanzenfasern als Türöffner für unterschiedliche Texturen
Der Weg zur Entwicklung innovativer faserbasierter Emulgatoren für kosmetische Anwendungen beginnt mit dem Verständnis des breiten Spektrums verfügbarer Pflanzenfasern. In einer umfassenden Untersuchung von Rohstoffen aus verschiedenen pflanzlichen Quellen haben wir ihre Eignung zur Stabilisierung von Emulsionen zunächst einzeln und dann in Form von Fasergemischen bewertet.
Wichtige Aspekte bei der Faserauswahl
Im Screening-Prozess haben wir eine Vielzahl kritischer Faktoren berücksichtigt, um Pflanzenfasern zu identifizieren, die den hohen Anforderungen kosmetischer Formulierungen entsprechen:
- Sensorische Eigenschaften: Fasern mit unerwünschten Eigenschaften, wie sichtbare Farbe oder Partikel, die beim Auftragen auf die Haut wahrgenommen werden können, wurden bereits in einem frühen Stadium des Auswahlprozesses ausgeschlossen.
- Emulsionsstabilisierung: Die Fähigkeit der Fasern, O/W-Emulsionen bei üblichen Scherraten zu stabilisieren, wurde getestet.
- Verdickung und Gelierung: Neben der Emulgierung sind viele Fasern in der Lage, die Wasserphase zu verdicken oder zu gelieren, was zusätzlich zur Stabilisierung kosmetischer Emulsionen beiträgt.
- Oberflächeneigenschaften: Das hydrophile und hydrophobe Gleichgewicht von Fasern, charakterisiert durch Kontaktwinkelmessungen mit der Sessile-Drop-Methode. Der Kontaktwinkel θ gibt an, wie der Feststoffpartikel die Öl- und Wasserphase benetzt. Bei θ < 90° ist der Partikel hydrophiler und bevorzugt die Wasserphase. Bei θ > 90° ist er lipophiler und bevorzugt die Ölphase. Bei θ < 90° aber nahe 90° ist der Partikel amphiphil und hat ideale Eigenschaften zur Stabilisierung von O/W-Emulsionen [Abbildung 1].[4]
- Formulierungsstabilität: Die resultierenden Formulierungen wurden einem Lagertest (12 Wochen bei 40 °C) unterzogen, um die Stabilität über die Zeit zu bewerten.
- Praktische und regulatorische Aspekte: Faktoren wie Preis, Verfügbarkeit, geografischer Ursprung, Qualitätssicherheit und Erfüllung kosmetikrechtlicher Vorgaben wurden ebenfalls in den Prozess einbezogen.


Unsere Bewertung führte schließlich zur Entwicklung von zwei synergistischen Fasermischungen, BergaMuls ET1 (bestehend aus Beta-Glucan und Pektin) und BergaMuls ET2 (bestehend aus Cellulose, Guar und Beta-Glucan). Das „ET“ im Namen steht für „emulgieren und verdicken“ und unterstreicht die doppelte Funktionalität. Beide Blends sind zu 100 % pflanzlich und ergänzen sich in ihren zugänglichen kosmetischen Texturen.
Vergleich der beiden Fasergemische
Obwohl beide Mischungen eine Reihe von Vorteilen aufweisen, haben sie dennoch unterschiedliche Eigenschaften in Formulierungen. Eine Zusammenfassung findet sich in Tabelle 1.
Tabelle 1. Vergleich der beiden Fasermischungen.
Produkt | BergaMuls ET1 | BergaMuls ET2 |
INCI | Beta-Glucan, Pectin | Cellulose, Cyamopsis Tetragonoloba (Guar) Gum, Beta-Glucan |
Quelle | Getreidefasern, Fruchtfasern | Holzfasern, Guar-Gummi, Getreidefasern |
Erscheinung | Elfenbeinfarbenes Pulver | Weißes bis cremefarbenes Pulver |
COSMOS-Zertifizierung | Ja | Noch ausstehend |
ISO 16128 | Ino = 1 | Ino = 1 |
Einsatzkonzentration | <2% als Co-Emulgator, 2-3% als Hauptemulgator, >3% als alleiniger Emulgator | 1,5-2% als Hauptemulgator |
Zusätzliche Funktionen | Sensorikadditiv, Verdicker | Sensorikadditiv, Verdicker |
Prozesstemperatur | Heiß- oder Kaltprozess | Heiß- oder Kaltprozess |
Zugängliche Texturen | Lotionartige Texturen | Creme-Gel-Texturen mit variabler Viskosität |
pH-Bereich der Formulierung | 4-9 | 4-9 |

Beide Fasergemische bestehen zu 100 % aus natürlichen/nachwachsenden Rohstoffen und ermöglichen die Herstellung von COSMOS-zertifizierten Kosmetika. Sie dienen als Emulsionsstabilisatoren, Sensorikverbesserer und Verdicker und werden in Deutschland produziert. Darüber hinaus können sie sowohl heiß als auch kalt verarbeitet werden, ohne die Endviskosität zu beeinflussen. Sie sind sehr hautfreundlich, da sie keine Oberflächenaktivität aufweisen. Daher sind sie ideal für die Entwicklung emulgatorfreier Konzepte. Zudem können stabile Emulsionen über einen weiten pH-Bereich von 4 bis 9 hergestellt werden.
Der Unterschied zwischen den beiden Blends liegt in den erzielbaren Texturen. Während BergaMuls ET1 die ideale Wahl für cremige, lotionartige Texturen ist, kann BergaMuls ET2 für glänzende Creme-Gel-Texturen mit einem Hauch von Frische in verschiedenen Viskositäten von Serum bis Creme verwendet werden.
Pickering-Emulgatoren verstehen: Allgemeine Formulierungs- und Anwendungshinweise
Die vorgestellten Emulsionsstabilisatoren unterscheiden sich nicht nur in den resultierenden Texturen, sondern auch in den Produktionsparametern, bei denen sie das beste Ergebnis erzielen. Unter Berücksichtigung der folgenden Punkte bieten die beiden Mischungen je nach vorhandener Ausrüstung und Produktionsbedingungen zusätzliche Flexibilität.
- Dispergierung des Produkts: Beide Mischungen sollten vor der Emulgierung in der Ölphase dispergiert werden, da dies eine schnellere homogene Verteilung ermöglicht.
- Emulgieren: Die Mischung aus Beta-Glucan und Pektin zeigt die besten Ergebnisse in Bezug auf Viskosität und Langzeitstabilität, wenn während des Emulgierprozesses nur kurz homogenisiert wird (30–60 Sekunden bei 7.000–9.500 U/min). Im Gegensatz dazu funktioniert die Kombination aus Cellulose, Guar und Beta-Glucan am besten bei niedrigen Schergeschwindigkeiten über einen längeren Zeitraum (10–20 Minuten bei 1.500–1.900 U/min mit Propellerrührer). Hier ist ausreichend Zeit notwendig, damit sich die Fasern an der Öl-Wasser-Grenzfläche ausrichten und die Hydrokolloide sowie löslichen Fasern in der Wasserphase quellen können.
- Verdickungsmöglichkeiten: 4 % BergaMuls ET1 in wässrigen (ölfreien) Formulierungen ergeben ein halbtransparentes Gel. Die Viskosität bei 3 % ist sehr unterschiedlich (1340 mPas für BergaMuls ET1 gegenüber 14800 mPas für BergaMuls ET2).
- Konservierungsmöglichkeiten: Formulierungen können mit natürlichen antimikrobiellen Mitteln unter Verwendung von 5 % Pentylenglykol oder einer Kombination von 2 % Pentylenglykol mit 1 % Cosphaderm® Dicapo Natural (Caprylylglykol, Propandiol, Glycerylcaprylat) konserviert werden.
Tabelle 2: Ausführliche Zusammenfassung der Anwendungshinweise.
INCI | Beta-Glucan, Pectin | Cellulose, Cyamopsis Tetragonoloba (Guar) Gum, Beta-Glucan |
Einarbeitung | Ölphase | Ölphase |
Empfohlener Prozess für optimale Stabilität und Viskosität | Kurzes Homogenisieren (Ultra Turrax, 7000-9500 U/min, 30-60 Sekunden) | Rühren bei 1500-1900 U/min für 10-20 Minuten |
Aussehen in der Formulierunf | In wässrigen Systemen und Emulsionen beige | In Wasser und Emulsionen deutlich weißer |
Sensorik und Textur | Cremig, seidig, pflegend, etwas weniger glänzende Oberfläche, Textur kann mit Fettalkoholen verbessert angepasst werden | Creme-Gel-Textur, glänzendere Oberfläche, Textur kann durch Fettalkohole angepasst werden |
Öl-Kompatibilitäten | Kompatibel mit allen Ölpolaritäten | Nicht kompatibel mit Silikonölen oder hohen Alkananteilen; gut mit Estern und am besten mit Pflanzenölen |
Empfohlene Einsatzkonzentrationen | <2 % als Co-Emulgator; 2-3 % als Hauptemulgator; >3 % als alleiniger Emulgator | 1,5-2 % als Hauptemulgator Bei mehr als 3 % kann es zu sehr hohen Viskositäten kommen, die ein gründliches Mischen erschweren. Die Stabilität kann durch Geliermittel wie Xanthan (0,05 %) oder Konjak (0,2 %) weiter erhöht werden. |
Größe der Ölphase | 8%-50% | 10%-30% |
Verwendung als Verdicker | 4 % in wässrigen (ölfreien) Formulierungen ergibt ein halbtransparentes Gel | 3 % in Wasser ergibt eine hohe Viskosität von 14.800 mPas |
Einsatz als Sensorikadditiv | 2 % zusätzlich zum klassischen Emulgatorsystem | Zu untersuchen |
Konservierungssysteme mit bestandenem Challenge-Test | 5 % Pentylenglykol | 5 % Pentylenglykol oder 2 % Pentylenglykol + 1 % Cosphaderm® Dicapo Natural (Caprylylglykol, Propandiol, Glycerylcaprylat) |
Vielseitige Formulierungskonzepte mit Pickering-Emulgatoren auf Pflanzenbasis
Der folgende Abschnitt veranschaulicht das Potenzial pflanzlicher Emulgatoren zur Herstellung vielseitiger und nachhaltiger Formulierungen für die Kosmetikindustrie. Formulierer können eine Vielzahl von Texturen erzielen, von leichten Lotionen bis hin zu reichhaltigen Cremes, im Kalt- oder Heißverfahren, mit oder ohne Co-Emulgatoren.
Formulating with BergaMuls ET1
Light Zen Milk
Emulgatorfreie, seidige und geschmeidige, hautberuhigende Formulierung, die die Hautbarriere schont. BergaMuls ET1 (Einsatzmenge 2%) wirkt als alleiniger Emulgator und stabilisiert die 8%ige Ölphase mit 0,1% Xanthan als zusätzlichem Stabilisator. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Light Zen Milk
Silky Underwear
Diese glatte, pudrige und gleitende Textur hat dank 2% BergaMuls ET1, welches in diesem Beispiel vor allem als Sensorikadditiv dient, einen mattierenden Effekt. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Silky Underwear
Quench Your Thirst Cream-In-Serum
Ein wasserbasiertes/ölfreies Serum, das wie eine Creme aussieht, aber die sensorischen Eigenschaften eines Serums für sehr trockene Haut besitzt. Hier wirken 4% BergaMuls ET1 als Verdickungsmittel für die Wasserphase. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Quench Your Thirst Cream-In-Serum
Formulating with BergaMuls ET2
Hydra-Silk Gel Elixir
Dieses kalt verarbeitete, samtige Serum verwendet 1,5% BergaMuls ET2 zusammen mit 0,1% Xanthan, um diese O/W-Emulsion zu stabilisieren, ohne dass sie erhitzt werden muss. Die Formulierung sorgt für eine glatte, leichte Textur. Distarch Phosphate trägt zur samtigen Sensorik bei, spielt aber keine Rolle bei der Stabilisierung der Emulsion. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Hydra-Silk Gel Elixier
Standard Lotion
Diese Lotion, eine weitere kaltverarbeitete Formulierung, demonstriert die Wirksamkeit von BergaMuls ET2 als emulgatorfreier Stabilisator. Durch die Kombination mit natürlichen Ölen und 0,2% zusätzlichem Verdicker (Konjak Root Extract) erreicht die Formulierung eine ausgewogene Viskosität. Das Ergebnis ist eine leichte Lotion, die für die tägliche Hautpflege geeignet ist. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Standard Lotion
Body Cream
Diese als Schutzcreme konzipierte Formulierung verwendet BergaMuls ET2 als Hauptemulsionsstabilisator zusammen mit einem Co-Emulgator (GSC). Das Ergebnis ist eine reichhaltige, nährende Textur, die ideal für trockene oder reife Haut ist. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Body Cream
Fazit
Durch die Kombination der intrinsischen Eigenschaften von Pflanzenfasern mit den synergetischen Vorteilen von Hydrokolloiden haben wir neue Möglichkeiten für die Gestaltung unterschiedlicher Texturen in kosmetischen Formulierungen eröffnet. Die Palette der Upcycling-Emulgatoren auf pflanzlicher Basis kann die Lücke zwischen Performance, Nachhaltigkeit und Vielseitigkeit schließen. Durch die Möglichkeit der Kaltverarbeitung und die Ausrichtung auf natürliche und umweltfreundliche Trends bietet sie Formulierern ein innovatives Werkzeug, um die sich ändernden Anforderungen des Kosmetikmarktes zu erfüllen.
Quellenangaben
[1] Ramsden, W (1903). "Separation of Solids in the Surface-layers of Solutions and 'Suspensions'". Proceedings of the Royal Society of London. 72 (477–486): 156–164. doi:10.1098/rspl.1903.0034
[2] Pickering, Spencer Umfreville (1907). "Emulsions". Journal of the Chemical Society, Transactions. 91: 2001–2021. doi:10.1039/CT9079102001.
[3] Binks, B. P. (2002). Particles as surfactants—similarities and differences. Current Opinion in Colloid & Interface Science, 7(1-2), 21-41.
[4] Velikov, Krassimir P.; Velev, Orlin D. (2014). Colloid Stability. pp. 277–306. doi:10.1002/9783527631193.ch35. ISBN 9783527631193.
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