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12. 06. 25

Emulsionen ohne Emulgatoren – synergistische Pflanzenfasern in kosmetischen Texturen

Dr. Sabilla Digel

Einleitung

Emulsionen sind im täglichen Leben allgegenwärtig und stellen eine Basistechnologie für Produkte in der Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie dar. Ob in Cremes, Lotionen, Soßen oder pharmazeutischen Systemen, die Stabilisierung von Emulsionen wird traditionell durch oberflächenaktive Moleküle oder Polymere gewährleistet, um die Koaleszenz der Tröpfchen zu verhindern. Die wachsende Nachfrage der Verbraucher nach nachhaltigen, natürlichen und hautfreundlichen Alternativen hat jedoch zur Entwicklung innovativer Emulsionsstabilisatoren geführt. Ein solcher Ansatz ist die Verwendung von Pickering-Emulsionen - Emulsionen, die durch feste Partikel stabilisiert werden, die sich irreversibel an der Öl-Wasser-Grenzfläche anlagern.

Pickering-Emulsionen wurden erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts von W. Ramsden[1] und S.U. Pickering[2] (1903 bzw. 1907) beschrieben und finden bis heute zahlreiche praktische Anwendungen. Während sich bei herkömmlichen Emulsionen oberflächenaktive molekulare Emulgatoren entsprechend ihren lipophilen und hydrophilen Anteilen an der Wasser-Öl-Grenzfläche orientieren, werden Pickering-Emulsionen durch feste Partikel stabilisiert, die irreversibel an der Öl-Wasser-Grenzfläche adsorbieren und so eine physikalische Barriere gegen die Koaleszenz von Tröpfchen bilden. Diese Emulsionen sind bekannt für ihre außergewöhnliche Stabilität[3], ihre gute Hautverträglichkeit und ihre Fähigkeit, der Haut anspruchsvolle und attraktive sensorische Eigenschaften zu verleihen. Ein vielversprechender Ansatz für Pickering-Emulgatoren nutzt das Potenzial von Fasern und Hydrokolloiden, die in der Lebensmittelindustrie weit verbreitet sind, da ihre einzigartigen Eigenschaften genutzt werden können, um Herausforderungen in kosmetischen Anwendungen zu lösen und innovative Texturen zu schaffen, während gleichzeitig die Umweltverträglichkeit verbessert wird.

Dieser Artikel beschreibt unsere Forschung zur Entwicklung von Materialien auf Pflanzenfaserbasis für die Stabilisierung von Pickering-Emulsionen in kosmetischen Anwendungen durch die Kombination der synergistischen Eigenschaften von Fasern und Hydrokolloiden. In den folgenden Abschnitten beschreiben wir das Design, die Charakterisierung und die Anwendung dieser aus Pflanzenfasern gewonnenen Materialien und zeigen ihre Wirksamkeit bei der Stabilisierung von Emulsionen, während sie gleichzeitig die steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Leistung in der modernen Kosmetikindustrie erfüllen.

Synergistische Pflanzenfasern als Türöffner für unterschiedliche Texturen

Der Weg zur Entwicklung innovativer faserbasierter Emulgatoren für kosmetische Anwendungen beginnt mit dem Verständnis des breiten Spektrums verfügbarer Pflanzenfasern. In einer umfassenden Untersuchung von Rohstoffen aus verschiedenen pflanzlichen Quellen haben wir ihre Eignung zur Stabilisierung von Emulsionen zunächst einzeln und dann in Form von Fasergemischen bewertet.

Wichtige Aspekte bei der Faserauswahl

Im Screening-Prozess haben wir eine Vielzahl kritischer Faktoren berücksichtigt, um Pflanzenfasern zu identifizieren, die den hohen Anforderungen kosmetischer Formulierungen entsprechen:

  • Sensorische Eigenschaften: Fasern mit unerwünschten Eigenschaften, wie sichtbare Farbe oder Partikel, die beim Auftragen auf die Haut wahrgenommen werden können, wurden bereits in einem frühen Stadium des Auswahlprozesses ausgeschlossen.
  • Emulsionsstabilisierung: Die Fähigkeit der Fasern, O/W-Emulsionen bei üblichen Scherraten zu stabilisieren, wurde getestet.
  • Verdickung und Gelierung: Neben der Emulgierung sind viele Fasern in der Lage, die Wasserphase zu verdicken oder zu gelieren, was zusätzlich zur Stabilisierung kosmetischer Emulsionen beiträgt.
  • Oberflächeneigenschaften: Das hydrophile und hydrophobe Gleichgewicht von Fasern, charakterisiert durch Kontaktwinkelmessungen mit der Sessile-Drop-Methode. Der Kontaktwinkel θ gibt an, wie der Feststoffpartikel die Öl- und Wasserphase benetzt. Bei θ < 90° ist der Partikel hydrophiler und bevorzugt die Wasserphase. Bei θ > 90° ist er lipophiler und bevorzugt die Ölphase. Bei θ < 90° aber nahe 90° ist der Partikel amphiphil und hat ideale Eigenschaften zur Stabilisierung von O/W-Emulsionen [Abbildung 1].[4]
  • Formulierungsstabilität: Die resultierenden Formulierungen wurden einem Lagertest (12 Wochen bei 40 °C) unterzogen, um die Stabilität über die Zeit zu bewerten.
  • Praktische und regulatorische Aspekte: Faktoren wie Preis, Verfügbarkeit, geografischer Ursprung, Qualitätssicherheit und Erfüllung kosmetikrechtlicher Vorgaben wurden ebenfalls in den Prozess einbezogen.
Abbildung 1. Beschreibung der Beziehung zwischen dem Kontaktwinkel der Partikel (θ) und dem Emulsionstyp
Abbildung 1. Original-Kamerabild eines Wassertropfens auf einer verdichteten Fasermischung, der einen idealen Kontaktwinkel nahe θ = 90° aufweist.

Unsere Bewertung führte schließlich zur Entwicklung von zwei synergistischen Fasermischungen, BergaMuls ET1 (bestehend aus Beta-Glucan und Pektin) und BergaMuls ET2 (bestehend aus Cellulose, Guar und Beta-Glucan). Das „ET“ im Namen steht für „emulgieren und verdicken“ und unterstreicht die doppelte Funktionalität. Beide Blends sind zu 100 % pflanzlich und ergänzen sich in ihren zugänglichen kosmetischen Texturen.

Vergleich der beiden Fasergemische

Obwohl beide Mischungen eine Reihe von Vorteilen aufweisen, haben sie dennoch unterschiedliche Eigenschaften in Formulierungen. Eine Zusammenfassung findet sich in Tabelle 1.

Tabelle 1. Vergleich der beiden Fasermischungen.

ProduktBergaMuls ET1BergaMuls ET2
INCIBeta-Glucan, PectinCellulose, Cyamopsis Tetragonoloba (Guar) Gum, Beta-Glucan
QuelleGetreidefasern, FruchtfasernHolzfasern, Guar-Gummi, Getreidefasern
ErscheinungElfenbeinfarbenes PulverWeißes bis cremefarbenes Pulver
COSMOS-ZertifizierungJaNoch ausstehend
ISO 16128Ino = 1Ino = 1
Einsatzkonzentration<2% als Co-Emulgator, 2-3% als Hauptemulgator, >3% als alleiniger Emulgator1,5-2% als Hauptemulgator
Zusätzliche FunktionenSensorikadditiv, VerdickerSensorikadditiv, Verdicker
ProzesstemperaturHeiß- oder KaltprozessHeiß- oder Kaltprozess
Zugängliche TexturenLotionartige TexturenCreme-Gel-Texturen mit variabler Viskosität
pH-Bereich der Formulierung4-94-9
Abbildung 2. Fasermischungen aus Getreide, Früchten, Holz und Guar. Petrischale rechts: Fasermischung aus Beta-Glucan und Pektin; Petrischale Mitte: Fasergemisch aus Cellulose, Guar und Beta-Glucan.

Beide Fasergemische bestehen zu 100 % aus natürlichen/nachwachsenden Rohstoffen und ermöglichen die Herstellung von COSMOS-zertifizierten Kosmetika. Sie dienen als Emulsionsstabilisatoren, Sensorikverbesserer und Verdicker und werden in Deutschland produziert. Darüber hinaus können sie sowohl heiß als auch kalt verarbeitet werden, ohne die Endviskosität zu beeinflussen. Sie sind sehr hautfreundlich, da sie keine Oberflächenaktivität aufweisen. Daher sind sie ideal für die Entwicklung emulgatorfreier Konzepte. Zudem können stabile Emulsionen über einen weiten pH-Bereich von 4 bis 9 hergestellt werden.

Der Unterschied zwischen den beiden Blends liegt in den erzielbaren Texturen. Während BergaMuls ET1 die ideale Wahl für cremige, lotionartige Texturen ist, kann BergaMuls ET2 für glänzende Creme-Gel-Texturen mit einem Hauch von Frische in verschiedenen Viskositäten von Serum bis Creme verwendet werden.

Pickering-Emulgatoren verstehen: Allgemeine Formulierungs- und Anwendungshinweise

Die vorgestellten Emulsionsstabilisatoren unterscheiden sich nicht nur in den resultierenden Texturen, sondern auch in den Produktionsparametern, bei denen sie das beste Ergebnis erzielen. Unter Berücksichtigung der folgenden Punkte bieten die beiden Mischungen je nach vorhandener Ausrüstung und Produktionsbedingungen zusätzliche Flexibilität.

  • Dispergierung des Produkts: Beide Mischungen sollten vor der Emulgierung in der Ölphase dispergiert werden, da dies eine schnellere homogene Verteilung ermöglicht.
  • Emulgieren: Die Mischung aus Beta-Glucan und Pektin zeigt die besten Ergebnisse in Bezug auf Viskosität und Langzeitstabilität, wenn während des Emulgierprozesses nur kurz homogenisiert wird (30–60 Sekunden bei 7.000–9.500 U/min). Im Gegensatz dazu funktioniert die Kombination aus Cellulose, Guar und Beta-Glucan am besten bei niedrigen Schergeschwindigkeiten über einen längeren Zeitraum (10–20 Minuten bei 1.500–1.900 U/min mit Propellerrührer). Hier ist ausreichend Zeit notwendig, damit sich die Fasern an der Öl-Wasser-Grenzfläche ausrichten und die Hydrokolloide sowie löslichen Fasern in der Wasserphase quellen können.
  • Verdickungsmöglichkeiten: 4 % BergaMuls ET1 in wässrigen (ölfreien) Formulierungen ergeben ein halbtransparentes Gel. Die Viskosität bei 3 % ist sehr unterschiedlich (1340 mPas für BergaMuls ET1 gegenüber 14800 mPas für BergaMuls ET2).
  • Konservierungsmöglichkeiten: Formulierungen können mit natürlichen antimikrobiellen Mitteln unter Verwendung von 5 % Pentylenglykol oder einer Kombination von 2 % Pentylenglykol mit 1 % Cosphaderm® Dicapo Natural (Caprylylglykol, Propandiol, Glycerylcaprylat) konserviert werden.

Tabelle 2: Ausführliche Zusammenfassung der Anwendungshinweise.

INCIBeta-Glucan, PectinCellulose, Cyamopsis Tetragonoloba (Guar) Gum, Beta-Glucan
EinarbeitungÖlphaseÖlphase
Empfohlener Prozess für optimale Stabilität und ViskositätKurzes Homogenisieren (Ultra Turrax, 7000-9500 U/min, 30-60 Sekunden)Rühren bei 1500-1900 U/min für 10-20 Minuten
Aussehen in der FormulierunfIn wässrigen Systemen und Emulsionen beigeIn Wasser und Emulsionen deutlich weißer
Sensorik und TexturCremig, seidig, pflegend, etwas weniger glänzende Oberfläche, Textur kann mit Fettalkoholen verbessert angepasst werdenCreme-Gel-Textur, glänzendere Oberfläche, Textur kann durch Fettalkohole angepasst werden
Öl-KompatibilitätenKompatibel mit allen ÖlpolaritätenNicht kompatibel mit Silikonölen oder hohen Alkananteilen; gut mit Estern und am besten mit Pflanzenölen
Empfohlene Einsatzkonzentrationen<2 % als Co-Emulgator; 2-3 % als Hauptemulgator; >3 % als alleiniger Emulgator1,5-2 % als Hauptemulgator Bei mehr als 3 % kann es zu sehr hohen Viskositäten kommen, die ein gründliches Mischen erschweren. Die Stabilität kann durch Geliermittel wie Xanthan (0,05 %) oder Konjak (0,2 %) weiter erhöht werden.
Größe der Ölphase8%-50%10%-30%
Verwendung als Verdicker4 % in wässrigen (ölfreien) Formulierungen ergibt ein halbtransparentes Gel3 % in Wasser ergibt eine hohe Viskosität von 14.800 mPas
Einsatz als Sensorikadditiv2 % zusätzlich zum klassischen EmulgatorsystemZu untersuchen
Konservierungssysteme mit bestandenem Challenge-Test5 % Pentylenglykol5 % Pentylenglykol oder 2 % Pentylenglykol + 1 % Cosphaderm® Dicapo Natural (Caprylylglykol, Propandiol, Glycerylcaprylat)

Vielseitige Formulierungskonzepte mit Pickering-Emulgatoren auf Pflanzenbasis

Der folgende Abschnitt veranschaulicht das Potenzial pflanzlicher Emulgatoren zur Herstellung vielseitiger und nachhaltiger Formulierungen für die Kosmetikindustrie. Formulierer können eine Vielzahl von Texturen erzielen, von leichten Lotionen bis hin zu reichhaltigen Cremes, im Kalt- oder Heißverfahren, mit oder ohne Co-Emulgatoren.

Formulating with BergaMuls ET1

Light Zen Milk

Emulgatorfreie, seidige und geschmeidige, hautberuhigende Formulierung, die die Hautbarriere schont. BergaMuls ET1 (Einsatzmenge 2%) wirkt als alleiniger Emulgator und stabilisiert die 8%ige Ölphase mit 0,1% Xanthan als zusätzlichem Stabilisator. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Light Zen Milk

Silky Underwear

Diese glatte, pudrige und gleitende Textur hat dank 2% BergaMuls ET1, welches in diesem Beispiel vor allem als Sensorikadditiv dient, einen mattierenden Effekt. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Silky Underwear

Quench Your Thirst Cream-In-Serum

Ein wasserbasiertes/ölfreies Serum, das wie eine Creme aussieht, aber die sensorischen Eigenschaften eines Serums für sehr trockene Haut besitzt. Hier wirken 4% BergaMuls ET1 als Verdickungsmittel für die Wasserphase. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Quench Your Thirst Cream-In-Serum

Formulating with BergaMuls ET2

Hydra-Silk Gel Elixir
Dieses kalt verarbeitete, samtige Serum verwendet 1,5% BergaMuls ET2 zusammen mit 0,1% Xanthan, um diese O/W-Emulsion zu stabilisieren, ohne dass sie erhitzt werden muss. Die Formulierung sorgt für eine glatte, leichte Textur. Distarch Phosphate trägt zur samtigen Sensorik bei, spielt aber keine Rolle bei der Stabilisierung der Emulsion. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Hydra-Silk Gel Elixier

Standard Lotion

Diese Lotion, eine weitere kaltverarbeitete Formulierung, demonstriert die Wirksamkeit von BergaMuls ET2 als emulgatorfreier Stabilisator. Durch die Kombination mit natürlichen Ölen und 0,2% zusätzlichem Verdicker (Konjak Root Extract) erreicht die Formulierung eine ausgewogene Viskosität. Das Ergebnis ist eine leichte Lotion, die für die tägliche Hautpflege geeignet ist. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Standard Lotion

Body Cream

Diese als Schutzcreme konzipierte Formulierung verwendet BergaMuls ET2 als Hauptemulsionsstabilisator zusammen mit einem Co-Emulgator (GSC). Das Ergebnis ist eine reichhaltige, nährende Textur, die ideal für trockene oder reife Haut ist. Hier finden Sie die vollständige Formulierung: Body Cream

Fazit

Durch die Kombination der intrinsischen Eigenschaften von Pflanzenfasern mit den synergetischen Vorteilen von Hydrokolloiden haben wir neue Möglichkeiten für die Gestaltung unterschiedlicher Texturen in kosmetischen Formulierungen eröffnet. Die Palette der Upcycling-Emulgatoren auf pflanzlicher Basis kann die Lücke zwischen Performance, Nachhaltigkeit und Vielseitigkeit schließen. Durch die Möglichkeit der Kaltverarbeitung und die Ausrichtung auf natürliche und umweltfreundliche Trends bietet sie Formulierern ein innovatives Werkzeug, um die sich ändernden Anforderungen des Kosmetikmarktes zu erfüllen.

Quellenangaben

[1] Ramsden, W (1903). "Separation of Solids in the Surface-layers of Solutions and 'Suspensions'". Proceedings of the Royal Society of London. 72 (477–486): 156–164. doi:10.1098/rspl.1903.0034

[2] Pickering, Spencer Umfreville (1907). "Emulsions". Journal of the Chemical Society, Transactions. 91: 2001–2021. doi:10.1039/CT9079102001.

[3] Binks, B. P. (2002). Particles as surfactants—similarities and differences. Current Opinion in Colloid & Interface Science, 7(1-2), 21-41.

[4] Velikov, Krassimir P.; Velev, Orlin D. (2014). Colloid Stability. pp. 277–306. doi:10.1002/9783527631193.ch35. ISBN 9783527631193.

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